FAZ, 13.02.2014

Im Land der klassischen Musik

Andrea Kims Amici-Ensemble verfolgt ideelle Ziele

Schon als ihr Vater in den sechziger Jahren als Bergbau-Gastarbeiter mit seiner Frau, einer Krankenschwester, aus Südkorea an den Niederrhein gekommen sei, habe er die klassische europäische Musik geliebt, erzählt Andrea Kim. Obwohl der Unterricht teuer war, lernten ihre zwei Brüder und sie von frühester Kindheit an Instrumente, sagt die in Dinslaken geborene Musikerin, die heute Vorspielerin der ersten Violinen im hr-Sinfonieorchester in Frankfurt ist. Mit dreieinhalb Jahren hat sie angefangen und sammelte früh Orchester-Erfahrungen im Gustav Mahler Jugendorchester sowie als Konzertmeisterin im Jeunesses Musicales Worldorchestra.

Andrea Kim hat mit Stars wie dem Violinisten Thomas Brandis oder der Klarinettistin Sabine Meyer gearbeitet und ist als Musikerin viel in der Welt herumgekommen. Aber unabhängig davon, ob sie sich in Kanada, Südamerika oder Asien aufhielt, machte sie dabei immer wieder die gleiche Erfahrung: Die Musiker dort hätten stets leuchtende Augen bekommen, wenn sie erzählt habe, dass sie aus Deutschland komme. Im Ausland gelte Deutschland immer noch als das Land der klassischen Musik schlechthin. Nach ihrer Einschätzung haben hierzulande aber inzwischen viele und gerade aus Migrantenfamilien stammende junge Menschen keinen Bezug mehr zum reichen Angebot an Konzerten und Opernaufführungen.

Deswegen betrachtet Kim es als ihre Aufgabe, ihre Begeisterung für klassische Musik gerade auch an Kinder und Jugendliche weiterzugeben. Ansprechen wolle sie sie am liebsten mit eigenen Projekten in Frankfurt und der Region, zumal hier im Hinblick auf kleine Kulturinitiativen "nicht ganz so viel los" sei wie etwa in Berlin. "Es sollte eine ideelle Sache sein, ohne viel Geld, bei der viele mithelfen", beschreibt Andrea Kim ihre bis heute gültige Grundidee. So scharte die agile Initiatorin, die sich selbst "sehr umtriebig" nennt, Musiker-Freunde aus dem hr-Sinfonieorchester, aus dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester und anderen Klangkörpern um sich: Das war 2010 die Geburtsstunde des Amici-Ensembles Frankfurt. Der "Pool" der Amici, der Freunde, umfasst heute etwa 20 Musiker, von denen die Hälfte zum härteren Kern zählt.

"Angefangen haben wir mit ganz normalen klassischen Konzerten", sagt Andrea Kim. Der Vorsatz war und ist, dass die Musiker ohne Honorar auftreten und mindestens die Hälfte der Einnahmen für wechselnde Zwecke spenden, sei es für die Diakonie oder einen Kinderchor. Das erste Plakat und die Flyer habe sie selbst am Computer entworfen und in Apotheken und Buchhandlungen verteilt und dort gleich nach kleinen Spenden zur Unterstützung gefragt. Mit wachsenden Projekten stiegen jedoch die Kosten. Inzwischen vergehe für sie kein Tag ohne organisatorische Arbeit für das Amici-Ensemble: Sie schreibt Anträge an potentielle Sponsoren, kümmert sich um Notenmaterial und Gema-Gebühren, um die von einem Bekannten entworfene Internetseite (www.amici-ensemble.de) oder die Steuererklärung. Die Kollegen helfen mit, indem sie zum Beispiel Texte für das Programmheft schreiben. Seit kurzem gibt es auch einen kleinen Förderverein.

Über die Konzerte hinaus engagieren sich die Amici an Schulen, indem sie zum Beispiel in Orchestern hessischer Musikgymnasien als "Coaches" die Proben betreuen oder Seminare geben. Für diese Schularbeit bekommt das Ensemble einen Zuschuss vom Kultusministerium. Im Hinblick auf das junge Publikum haben sich zugleich die Konzert-Formate weiterentwickelt. In Friedberg gab es etwa im Theater "Altes Hallenbad", einem Jugendstilbad, das jetzt als Kulturzentrum genutzt wird, eine "Amici-Lounge" in lockerer Atmosphäre. Im nordhessischen Ellershausen richtet das Amici-Ensemble ein eigenes sommerliches Musikfestival im Landhaus Bärenmühle aus.

In der Rhein-Main-Region ist das Ensemble schon wiederholte Male in der Kronberger Johanneskirche aufgetreten. Am Gründungsort sucht Andrea Kim unterdessen immer noch nach einer festen Spielstätte oder einer besonderen "Location": "Es ist manchmal nicht einfach in Frankfurt." Erstmals ist das Ensemble jetzt im Frankfurter Bechstein-Centrum zu Gast. Heute Abend zu hören sind Schuberts ("Forellen"-)Quintett D 667 sowie Streichoktette von Mendelssohn und Schostakowitsch.

GUIDO HOLZE

Alle Rechte vorbehalten. ©Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH